Oli beim Ironman Zürich
Ironman Switzerland in Zürich
Der Ironman Switzerland stand schon einmal fast ganz oben auf meiner Rennliste. Im Spätsommer 2014 entschied ich mich allerdings 2015 in Kalmar beim Ironman Sweden zu starten. So ganz vergessen war diese Location allerdings nie. Nach dem sehr harten Rennen im letzten Jahr in Kopenhagen wollte ich mich nicht gleich wieder für den Folgesommer auf ein Rennen festlegen. Erst einmal brauchte ich etwas Abstand zum geregelten Training und zu dieser Distanz. Der Ironman Switzerland kam somit wieder ins Gedächtnis, kann man sich dort sehr kurzfristig anmelden und somit ließ ich mir mit einer Entscheidung, ob es den vierten IM in Folge geben soll, Zeit bis zum Frühjahr. Ob es eine Sucht ist, möchte ich an dieser Stelle offen lassen, aber der Reiz im Sommer wieder über die Finshline zu laufen war doch größer als die Entbehrungen in der Freizeit in den folgenden Monaten.
Ende März meldete ich für den IM Switzerland. Die Herausforderung dieses Jahr lag auch wieder darin, in sehr geringer Trainingszeit das Maximum heraus zu holen. Ich hatte um die zehn Wochenstunden Zeit für ein sehr strukturiertes und voll auf Qualität ausgerichtete Training. Ohne die ganz langen Einheiten hatte absolvieren zu können, machte ich mich mit meinen Supporter auf den Weg Richtung Zürich.
Der Wetterbericht für den Wettkampftag sagte wunderbare 29 Grad und Sonnenschein voraus, also optimale Bedingen. Und so sollte es auch kommen. Beim Schwimmstart ging über der Gebirgskette die Sonne auf und bescherte uns beim Schwimmen imZürichsee eine Gänsehautstimmung. Der See war mit 23 Grad sehr angenehm und das Wasser hatte Trinkwasserqualität. Schon beim Schwimmen merkte ich, heute läuft es ganz gut. Bedingt durch den Rolling-Start hatte sich sehr schnell eine gute Gruppe gebildet und wir konnten sehr homogen die Strecke absolvieren. Nach einer Stunde war das Schwimmen abgehakt – schade eigentlich – es war sehr schön im See.
Die Wechselzone 1 war mal wieder mein persönliches Waterloo. Wenn das Rad bei der Nummer 335 steht, sollte man sich nicht wundern, warum es bei 235 nicht zu finden ist. Aber egal, sprechen wir nicht mehr drüber. Auf dem Rad fand ich schnell meinen Rhythmus und den Weg am See entlang konnte ich die ersten flachen 35 Kilometer mit einem 40er Schnitt absolvieren. An einem Kreisel mussten wir links abbiegen, dem See mit seiner flachen Straße den Rücken kehren und in das bergige Hinterland radeln. Die Anstiege hatte ich im Vorfeld begutachtet und war somit auf die folgenden Kilometer eingestellt. Meine gewünschten Wattwerte konnte ich gut drücken und überholte einige Mitstreiter. Auf den steilen Abfahrten war volle Konzentration gefragt, meist durfte nicht in Aeroposition gefahren werden. Nach 70 Kilometern kamen wir wieder auf der Seestraße an. Der Rücken zwickte etwas, aber mit auffrischendem Rückenwind fuhr ich Richtung Wechselzone, um an dieser weitere 10 Kilometer vorbei zu fahren und den Heartbreakhill anzugehen. Hier herrschte Tour-Feeling pur. Auf einem Kilometer mit 15% Steigung wurde ich durch eine Menschengasse nach oben geschrien. Gänsehaut pur und gefühlt keine Steigung! Zurück an der Wechselzone zeigte der Tacho 2:27 Stunden für die komplette Runde. Ich lag zeittechnisch und von den Wattwerten her genau im Soll. Perfekt. Zurück auf der Seestraße erwartete mich starker Gegenwind. Fuhr ich in der ersten Runde noch 40 Km/h musste ich mich jetzt mit 35 Km/h zufrieden geben. Da ich mich gut fühlte, steigerte ich meine Wattwerte um 15 Watt und versuchte den Schnitt wieder etwas anzuheben. Hinterher ist man natürlich immer Schlauer. Aber diese 15 Watt waren zu viel. Bereits im ersten Anstieg durfte ich schön leiden. Das Leiden wurde beim zweiten Anstieg noch größer. Was mich positiv stimmte, alle um mich herum hatten deutlich mehr zu kämpfen als noch 2 1/2 Stunden zuvor. Um mich nich komplett auf dem Rad zu zerstören, schraubte ich nun die Werte nach unten. Anstrengend war es immer noch, die Geschwindigkeit bergauf glich mehr einem „Hoffentlich nicht umfallen“ und die Uhr tickte gnadenlos durch. Auch der Rücken hatte so langsam keine Lust mehr auf Radfahren und die Seestrecke zurück brachte nicht mehr sehr viel Freude. Zum Schluss noch einmal die 15%-Welle hoch und dann stand die große Überraschung bevor. Wie fühlen sich die Beinchen an, wenn ich absteige und in die Wechselzone laufe? Yes! Die Beine waren gut! Schnell musste noch das Rad an den Ständer gehängt werden, der richtige Beutel gegriffen und ganz fix ging es aus dem Zelt auf die Laufstrecke.
Vier Runden erwarteten mich dort. Die Strecke hatte ich mir im Vorfeld nicht angeschaut, somit konnte ich die erste Runde als Überraschungs- und Entdeckungstour nutzen. Überraschungen gab es viele! Von Brücken und Unterführungen, Wendepunkten, Kopfsteinpflaster in sämtlichen Formen und Größen über Baustellen und lustigen Schildern an niedrigen Brückendächern mit Aufschriften wie „Watch your head!“ Trotz des unrhythmischen Kurses fand ich schnell in meinen eigenen Rhythmus und konnte die angestrebte Pace finden. Die Temperatur stieg mittlerweile an die 30 Grad heran und neben der Energieaufnahme an den Verpflegungsstellen war das Abkühlen durch Schwämme und Eis super wichtig. Meine Verpflegungsdurchläufe sahen alle gleich aus. Schwämme nehmen und sofort in den Anzug am Nacken stecken, Wasserbecher aufnehmen, trinken, Colabecher aufnehmen, trinken, Eiswürfel aufnehmen und in den Anzug stecken, Bouillonbecher nehmen, trinken, Wasserbecher nehmen, trinken und zum Abschluss noch einmal einen Schwamm nehmen und über dem Kopf ausdrücken. Dieses Ritual gab es alle 2,5 Km! Zusätzlich steckte in meinem Anzug noch eine kleine Flasche, die mit Gel gefüllt war. Nach der ersten Runde fühlte ich mich richtig im Wettkampf angekommen und ich konnte weiter meine Pace laufen und mich Stück für Stück in der AK nach vorne arbeiten. In der dieser Runde sollte dann das passieren, weshalb eine Langdistanz nie planbar ist. Wahrscheinlich durch die einsetzende Müdigkeit und Unaufmerksamkeit blieb ich in einer Baustelle mit meinem Fuß an einer Kante hängen. Um nicht zu stürzen, machte ich eine Ausfallschritt. Dabei schoss es mir in den Rücken und erst einmal blieb mir richtig die Luft weg. Ab diesem Moment schmerzte es abartig, immer wenn ich mit dem rechten Fuß aufsetze. Drei Kilometer kämpfte ich mich durch, dann ging nichts mehr. Ich musste anhalten und versuchte meinen Rücken ganz langsam zu dehnen und zu mobilisieren. In diesem Moment war die Finishline ganz weit weg. Zum ersten Mal war ich mir nicht sicher, ob ich mir überhaupt eine Medaille umhängen lassen kann. Locker versuchte ich wieder anzulaufen. Es schmerzte nach wie vor. Ich lief über 6 Minuten pro Kilometer und rechnete mir im Kopf hoch, wie lange ich die Schmerzen noch aushalten muss. Das Ergebnis ging nicht! Also hieß es die Zähne zusammenzubeißen und noch einmal zu probieren zu beschleunigen. Um so schneller ich lief, um so mehr schmerzte der Rücken. Der Gedanke, aber deutlich kürzer den Schmerz ertragen zu müssen, ließ mich in der dritten Runde wieder um die 4.30 Km/min laufen. Allerdings kostete es unglaublich viel Kraft. Mit rechts konnte ich kaum den Boden berühren und am Ende der dritten Runde rechnete ich im Kopf hoch, was ich laufen muss, um noch unter zehn Stunden zu bleiben. Es war nicht mehr viel im Tank, der Kampf um AK Plätze war in den Kampf um die persönliche Zeit gewichen. In den Verpflegungsstationen lies ich mir Zeit und zählte die Kilometer runter. Erst als ich bei Kilometer 41 das letzte Rundenbändchen bekam war ich mir sicher, das Ziel zu erreichen. Die Euphorie, die ein Zielkanal normalerweise bei mir auslöst, blieb dieses Mal weg. Ich war einfach nur froh, nach 9:51:37 Stunden das Ziel überquert zu haben.